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Jarkko Repo im Gespräch mit Julia Neumayer

Wie Radfahren mir bei chronischen Schmerzen hilft

Diesmal haben wir eine besonders herzerwärmende Bike Story für euch. Bikemap Nutzer Jarkko Repo meldete sich auf unseren Aufruf nach persönlichen Geschichten und erzählte uns, was Radfahren ihm bedeutet. Sein Kampfgeist und sein Humor haben dabei nicht nur sein Leben – sondern auch unseres – ein gutes Stück besser gemacht.

Gerne lese ich die spektakulären Radgeschichten anderer Leute – wie sie die höchsten Gipfel erklimmen. Ich sehe mir auch oft Videos von sportlichen Radfahrern an, die um die Welt fahren.

Doch ich bin nicht einer von ihnen. Ich bin Anfang vierzig, habe zwei Rückenoperationen hinter mir und lebe seit über zwanzig Jahren mit Nervenschmerzen.  Aber ich fahre Rad. Also, ich fahre E-Bike – manchen ist die Unterscheidung wichtig. Lange kann ich nicht in die Pedale treten. Als ich vor ein paar Jahren damit begonnen habe, war es mir nur möglich, weniger als 15 Minuten im Sattel zu sitzen. Doch das reichte aus, um in mir die Leidenschaft fürs Radfahren zu entfachen. Wenn mich unterwegs die Schmerzen einholten, kam ich mit Hilfe des E-Motors sicher nach Hause.

Ich zog von Finnland nach Spanien, da das milde Klima meiner Gesundheit zuträglich war, und hier ging es richtig los. In nur zwei Jahren schaffte ich es, mich von meinen kurzen 15-minütigen Anfängen auf dem Rad zu Ausfahrten von fast zwei Stunden zu steigern. Das ist ein unglaublicher Fortschritt für mich! Heute kann ich knapp 20 km am Stück fahren und träume von einer noch unvorstellbar weiten Fernreise bis zur Küste (das wären dann 40 km pro Weg).

Eines Tages werde ich das schaffen.

Wir wollten mehr wissen. Bestimmt gibt es noch andere RadfahrerInnen in unserer Community, die mit „unsichtbaren“ Einschränkungen wie chronischen Schmerzen, Asthma, den Nachwirkungen einer Verletzung oder Operation leben. Für viele von uns kann es von großer Bedeutung sein, eine Bike Story zu lesen, die die Herausforderungen sichtbar macht. 

Also baten wir Jarkko, uns mehr von sich zu erzählen…

Erklärst du uns, wie es zu deinen chronischen Schmerzen kam und wie du damit umgehst?

2001 unterzog ich mich meiner ersten Rückenoperation, um zwei Bandscheibenvorfälle (zwischen L3-L4 und L4-L5) zu entfernen. Diese OP lähmte mein linkes Bein fast zur Gänze – ich musste neu laufen lernen, was mir aber Spaß machte. 

Obwohl die OP erfolgreich war, musste ich danach mit neuropathischem Schmerz klarkommen. In meinem Fall äußert sich dieser als stechender Schmerz im linken Bein. Kurz bevor die Wirbelsäule (nach 15 Jahren) wieder zusammengewachsen wäre, begannen kleine Teile der Bandscheibe wieder Druck auf den Nerv auszuüben. Also unterzog ich mich 2016 einer modernen Rückenoperation, die diese Bereiche entfernte, und begann eine einjährige Rehabilitation mit viel Physiotherapie. Aber der Nervenschmerz begleitet mich jetzt seit über 20 Jahren.

Den Schmerz gibt es, weil ein stark beschädigter Nerv manchmal Stresssignale schicken kann, obwohl der Auslöser entfernt wurde. Ich habe über die Jahre jede Art von Schmerzmittel genommen, doch dieser Tage bin ich überglücklich, nicht mehr täglich (oder gar wöchentlich!) darauf zurückgreifen zu müssen.

Trage ich immer Jeans, ein Hemd und Sakko? Ja, denn Leute erwarten, wenn sie mir so begegnen, nicht jemanden mit allzu sportlichem Fahrstil. Und ich mag die Kleidung, denn wenn ich Hemd und Krawatte trage, nehme ich automatisch eine bessere Körperhaltung ein.

Was bedeutet dir das Radfahren?

Ich bin am finnischen Land aufgewachsen und als Kind viel mit dem Rad gefahren – es war in den 80ern üblich, dass Kinder und Jugendliche verhältnismäßig weite Strecken alleine zurücklegten. Als ich dann meinen Führerschein machte und in die Stadt zog, fuhr ich jahrelang nur noch mit dem Auto.

Für mich bedeutet Radfahren Freiheit! Ich bin in meinem Leben zu viel Auto gefahren und das kam mir immer wie Pseudo-Freiheit vor, denn man muss immer ans Parken denken, stellt eine Gefahr für Fußgänger und Radfahrer dar, usw. Mit dem Rad erfahre ich die Welt auf eine viel authentischere, unmittelbarere Art, selbst auf kurzen Wegen.

Mein Mann und ich reisten viel in der Weltgeschichte herum, bevor wir nach Spanien auswanderten. Wir kompensierten unsere CO2 Emissionen dieser Reisen, doch in Wirklichkeit wäre es für unsere Erde nicht tragbar, würden alle Menschen so reisen und konsumieren wie wir.  Also beschlossen wir, von nun an nur noch das Rad und die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Heute ernähren wir uns pflanzenbasiert und besitzen kein Auto. Natürlich bedeutet das, dass wir keine weiten Strecken mehr zurücklegen.

Hier ist ein Bild unserer letzten Fernreise vor der Auswanderung: mein Mann und ich in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in der Wüste nahe Ras al-Khaimah. Mein Arzt sagte mir damals, dass ein wärmeres Klima meine Schmerzen erträglicher machen könnte. So reisten wir aus dem kalten finnischen Winter dorthin, um selbst zu sehen, ob uns ein Umzug in wärmere Gefilde helfen könnte.

Und es schien tatsächlich so. Während wir dort waren, konnte ich sogar auf einem Kamel reiten – zwar kein Fahrrad, aber immerhin! Bis zu diesem Tag konnte ich nur  unter großen Schmerzen auf dem Rad sitzen. Kurz darauf packten wir unsere Sachen und zogen nach  Beniajan, Murcia, Spanien.

Zuerst suchten wir nach Radrouten auf Google Maps. Doch von unserem Balkon aus sahen wir Radfahrer, die abseits der Straßen zwischen Bäumen fuhren, und so suchte ich nach einer besseren App, um Radrouten zu planen. Zum Glück fand ich Bikemap, denn nun konnte ich genau sehen, wie ich am besten zur Via Verde gelangen konnte, und wohin sie mich führte.

Wie planst du deine Routen?

Bikemap macht es mir wirklich einfach, und motiviert mich zusätzlich dazu, immer höher hinaus zu wollen. Das Glücksgefühl, wenn ich meine Ziele erreiche ist enorm. Besonders gerne lasse ich mich auch vom Rundwegplaner inspirieren.

Vermutlich bin ich in meinem Leben zu viel und weit in der Weltgeschichte herum gereist, doch wenn ich mit dem Rad fahre, erlebe und erreiche ich so viel mehr für mich als nur eine Handvoll Bilder, wo ich vor Sehenswürdigkeiten stehe.

Als ich mein Haus zum ersten Mal vom nahen Hügel aus sah, fühlte ich mich wie ein Abenteurer, der in den Anden Rad fährt. Das war tatsächlich eine epische Reise für mich.

Meine liebsten Routen sind nichts Besonderes – meist fahre ich entlang der wunderbaren Via Verde (Grüner Weg: eine sehr angenehme Route entlang einer ehemaligen Zugstrecke von Los Ramos bis in die Nähe von EuroVelo 8. Kein Autoverkehr, man trifft nur Fußgänger und Radfahrer zwischen Zitrusbäumen).

Was ist dein nächstes Ziel?

Das ist meine Traumroute! Ich bin noch weit entfernt davon, diesen kurzen Ausflug „in die Berge“ zu machen, aber ich komme meinem Ziel jede Woche näher. Anfang des Sommers hatte ich einen Fahrradsturz, aber der hat in mir den Wunsch nur noch stärker werden lassen, meine Fahrten in die Hügel zu planen.

Ich habe keine Bilder, weil ich noch nicht in den „Bergen“ war. Aber dank Bikemap werde ich es eines Tages dorthin schaffen.

Vielen Dank, Jarkko, dass du deine Bike Story mit uns geteilt hast. Mit dieser Einstellung erreichst du die Berge und auch das Meer ganz bestimmt, und wir freuen uns schon darauf, dann wieder von dir zu hören!

Wusstest du? 🚴

Die Via Verdes bezeichnen ein spektakuläres Netz aus autofreien Radwegen entlang augfelassener Zugstrecken in Spanien.

Weitere nutzergenerierte Radrouten in Murcia, oder der Region deiner Wahl, findest du unter Fahrradregionen auf Bikemap.

Die letzten zwei Bilder ©FFE-Vías Verdes
Alle anderen Fotos von Jarkko Repo 🚲

Teile auch du deine Bike Story mit der Bikemap Community!

Wir sind stets auf der Suche nach persönlichen Erfahrungsberichten, die überraschen, unterhalten und inspirieren. Schreib‘ mir einfach eine E-Mail an  julia@bikemap.net oder fülle unser Bike Stories Formular aus, und die nächste Bike Story auf unserem Blog, Newsletter und Social Media Kanälen könnte deine sein.

Julia Neumayer

Herausgeberin der Bike Stories