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Geschrieben von Clarence Wardell

Halloween Story: Angriff der Killergänse

Fahrrad fahren ist gesund, das ist bekannt! Jedoch weiß ich nun aus persönlicher Erfahrung, dass es auch auf völlig unerwartete Weise der Gesundheit schaden kann. Verletzungen passieren meist dann, wenn man zu Fall kommt. In meiner Geschichte geht es nicht um einen Fall, sondern um einen Kampf. Ihr habt bestimmt schon von der „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“ gehört. Ich erlebte die „Kampf-oder-Fall“ Reaktion! Mit meinen 60 Jahren war ich seit der Grundschule nicht mehr in einen physischen Kampf verwickelt. Doch an diesem Tag würde ich an meinem täglichen Weg von der Arbeit nach Hause gleich zwei Angreifern begegnen. Ich heiße Clarence, und das ist meine Geschichte:

Nach einem brutalen, nervtötenden Tag in der Arbeit war ich bereit für meine 15-Meilen-Radfahrt nach Hause. Ein Ort jenseits von Zeit und Raum, zwischen Autos und Fußgängern, wo mein Geist Stress abbauen und entspannen konnte. In dieser Zeit erlebte ich die Welt mit all meinen Sinnen, fühlte die wärmenden Sonnenstrahlen in meinem Gesicht, den Wind in meinem Haar, die Mücken zwischen den Zähnen, in der Nase und in meinen Augen. Ich konnte nicht ahnen, was mich sonst noch so auf meinem Heimweg erwartete.

Die ersten fünf Meilen führen auf schwach befahrenen asphaltierten Straßen entlang. Die haben meistens schöne Seitenstreifen, auf denen ich sicher fahren kann. Dann eine steile Rampe hinunter zu dem Radweg, der die nächsten 10 Meilen parallell zur Autobahn verläuft. I-275 ist die einzige Interstate Autobahn, die in Michigan beginnt und endet. Der I-275 Metro Trail führt 26 Meilen durch Oakland County und Wayne County. Hier gibt es haupstächlich Radfahrer, aber auch Fußgänger und Läufer.

© Adobe Stock

Aufgrund einer großräumigen Renovierung war die Autobahn und die angrenzenden Grünflächen geschlossen, und so kam es, dass die Tiere, die dort wohnten, zurück gedrängt wurden und sich vermehrt am Radweg aufhielten. Eine Vielfalt an Arten fiel mir auf, als ich vorbeifuhr: die Vögel flogen tief, Hasen schossen quer über den Weg, Rehe erschienen aus dem Nichts und erschreckten mich. Durch die Baustelle hatte es erstmals auch Kanadagänse auf den Radweg verschlagen, die herumstolzierten, als gehörte ihnen der Laden.

Diese Tiere haben eine Flügelspannweite von 130-180 cm. Ihre Körpergröße beträgt zwischen 75 und 110 cm, und sie wiegen bis 6,5 kg. Fünfzig Gänse produzieren 2,5 Tonnen Kot im Jahr. Und sie fliegen schnell. Ein Schwarm Gänse in V-Formation schaffen 2,400 km in 24 Stunden. Mit der unglaublichen Geschwindigkeit von 100 km/h.

An einer engen Stelle fuhr ich gerade abwärts in eine Kurve, umgeben von der Schutzmauer auf der einen und dichtem Gebüsch auf der anderen Seite. Mein Cateye zeigte 24 km/h an, Geschwindigkeit steigend. Plötzlich sah ich eine Gans mitten auf dem Weg stehen, daneben im Gras war eine zweite. Die am Asphaltstreifen gab mir den bösen Blick, ich kann es nur so beschreiben, als wollte sie sagen „Alter, versuch ja nicht, an mir vorbeizufahren!“ Ich wusste, wie gefährlich diese Biester sein konnten, denn es war nicht mein erster Gänse-Rodeo… Doch ich hatte keine Wahl, also trat ich fester in die Pedale, um möglichst schnell an ihr vorbeizukommen, bevor sie reagieren konnte.

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Instinktiv bereitete ich mich auf die Konfrontation vor. Ich hielt mit der linken Hand den Lenker so fest ich konnte und ballte die rechte zur Faust, um mich im Notfall verteidigen zu können. Ich musste viel zu nahe an der Gans vorbei (etwa 30 cm ließ sie mir), und sie starrte mich weiter an. Entweder sie oder ich! 

Was dann geschah, passierte in weniger als einer Minute. Stehen bleiben war keine Option – jetzt gab es kein Zurück mehr. Mein Plan, so schnell an der Gans vorbeizufahren, dass sie nicht reagieren konnte, ging nicht auf. Sobald ich ihr zu nahe kam, schwang sie sich auf Höhe meines Kopfes – und die zweite Gans hob ebenfalls ab. BUMM! Mit voller Kraft boxte ich die erste in den Brustkorb! Sie fiel aus der Luft, als hätte Thors Hammer sie getroffen, und landete wie ein Stein im Gras.

Ich spürte, wie mein Rad wackelte, doch konnte es zum Glück mit der linken Hand und bei 25 km/h stabilisieren, ohne zu stürzen. Ich blickte über die Schulter, um nach dem gefallenen Vogel zu sehen, und fand mich Auge in Auge mit der zweiten Gans! Wie ein geölter Blitz war sie hinter mir her, um ihren Partner zu rächen – Hals ausgestreckt, mit vollem Flügelschlag – mir war sofort klar, dass ich ihr nicht entkommen konnte.

Ein weiteres Mal stellte ich mich dem Kampf. Als die Gans auf meinen Helm zuflog, schlug ich mit der rechten Faust nach oben. BATZ! Diesmal wackelte ich gewaltig, doch ich konnte mich halten. Zum Glück, denn durch den Schlag fiel die Gans genau vor mein Fahrrad, ich überrollte noch ihren ausgestreckten Flügel. Ich glaube nicht, dass sie bleibende Schäden davontrug, aber in dieser Situation konnte ich es nicht vermeiden – sie oder ich – wie hätte ich anders reagieren können?

Dann fuhr ich davon, so schnell ich nur konnte, die Angst vor einem weiteren Angriff tief in den Knochen. Beim Blick über die Schulter sah ich nur zwei weiße Flecken weit hinter mir. Ich trat so lange fest in die Pedale bis ich mir sicher sein konnte, dass sie mich nicht mehr verfolgten. Welche Erleichterung! Wow! Ich war heilfroh, als es vorbei war und ich es ohne Verletzungen überstanden hatte.

Auf der Weiterfahrt kam mir ein anderer Radfahrer entgegen, der auf den Tatort zufuhr. Als er vorbeifuhr, rief ich: „Vorsicht vor den Gänsen!!!“ Er fuhr mit großer Geschwindigkeit auf den Tatort zu; ich hoffe, es erging ihm besser als mir. Ich kenne sein Schicksal nicht, aber ich hörte keine Stürze oder Schreie.

Die letzten fünf Meilen nach Hause überkam mich ein unglaubiches Hochgefühl. Ich genoss ein erhöhtes Selbstvertrauen und den Gedanken, dass ich mich einer Gefahr erfolgreich gestellt und unversehrt davongekommen war. Ich war der Sieger! Ich bin knallhart! Diese Gänse ahnten ja nicht, auf wen sie sich einließen. Mit mir ist nicht zu spaßen!

Ich hatte riesiges Glück, dass ich nicht auch Verletzungen davontrug, und wusste schon von einer früheren Begegnung von ihrer Boshaftigkeit. Gänse greifen bei der geringsten Provokation an, und ganz besonders dann, wenn Jungvögel in der Nähe sind. Vielleicht erschien ihnen auch mein silberner Helm mit ein paar schwarzen Streifen wie ein angreifender Vogel. Ich bekam nach dem Vorfall milde Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, hatte große Angst vor Gänsen und anderen Vögeln, selbst wenn sie weit weg waren.

Als der Tag schließlich kam und ich wieder zwei Gänse am Radweg vorfand, reagierte ich anders. Ich wurde ganz langsam und rief ihnen laut zu („Move! Move! Move! Move!”) – und wisst ihr was? Sie watschelten vom Radweg und ließen mich vorbei fahren. Und ich bedankte mich bei ihnen.

Nach zwei Vorfällen mit Gänsen lasse ich mich immer noch nicht vom Radfahren abhalten. Ich verspüre mehr Respekt (und auch Feindseligkeit) gegenüber Gänsen und bilde mir ein, sie respektieren mich auch. Übrigens habe ich mittlerweile einen neuen Helm. Er ist ganz schwarz, und so weit, so gut. Ich klopfe auf Holz.

Gute und sichere Fahrt wünscht euch Clarence

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2021 fuhr er mit seinem Rad von Detroit, Michigan nach Washington D.C. und sammelte USD 2150 an Spenden gegen Gewalt durch Schusswaffen. Diese Radtour hieß No Guns Today, betrug 590 Meilen oder 950 km. Sein Bikemap Profil findest du hier.

Bilder von Kanadagänsen  © Adobe Stock
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Julia Neumayer

Herausgeberin von Bike Stories