Geschrieben von Suni Belliure
Eine Fahrt durch die Geschichte: mit dem Fahrrad über die Alpen und die Dolomiten
Eines Sommers nahm ich mir eine ganz besondere Radreise vor: die Via Claudia Augusta. Diese geschichtsträchtige Route lässt sich über 2000 Jahre, bis zu Kaiser Claudius’ Zeit, rückverfolgen. Meine Reise sollte in Donauwörth, Deutschland, beginnen, und mich über Bozen in Südtirol bis tief in die Dolomiten, nach Vittorio-Veneto führen. Eine Radroute mit Kultstatus: denn auf den Spuren der Römer, die einst diese einmalige Alpenquerungsstraße erbauten, erwartete mich gelebte Geschichte gepaart mit wunderbarer Landschaft und der Schönheit der Natur.
⛰️ Straßenbedingungen: 80% asphaltiert, 20% unbefestigt, sehr gute Bedingungen für eine Radreise
🗓️ Zeitraum: 15 Tage am Rad + 1 Tag Wandern in den Dolomiten
Die Via Claudia Augusta entlang
Vor 2000 Jahren finanzierte Kaiser Claudius persönlich die Erbauung dieser einzigen römischen Straße über die Alpen. Die Querung verband fortan den Adriahafen Altinum und das Dorf Ostiglia am Fluss Po mit der wohlhabenden Provinz Raetia und ihrer Hauptstadt Augsburg an der Donau. Diese antike Route ist heute eine der besten Radrouten Europas durch Deutschland, Österreich, und Italien; mit einem kurzen Abstecher in die Schweiz. Gerne teile ich mit euch die absoluten Highlights meiner ganz persönlichen Radreise.
🇩🇪 Meine Highlights aus Deutschland
📍 Donauwörth: Der offizielle Beginn der Route befindet sich in einer charmanten Kreisstadt an der Donau.
📍 Augsburg: Römische Bezeichnung Augusta Vindelicorum. Sehenswert ist die Fuggerei, die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt, von der Familie Fugger im Jahre 1521 für die Armen erbaut.
📍 Landsberg am Lech: Diese historische Stadt liegt am Hochufer des Lechs und fasziniert mit ihrer gut erhaltenen Altstadt samt Toren aus dem Mittelalter.
📍 Epfach: Hier führt die Strecke ein Stück an der antiken Römischen Straße entlang.
📍 Lechsee and Forggensee: Die Vorfreude steigt: hier konnte ich zum ersten Mal die wunderbaren Alpen erspähen.
🇦🇹 Meine Highlights aus Österreich
Auf der Fahrt durch Berge und Wiesen wird die Landschaft zunehmend zum Hauptdarsteller.
📍 Reutte: Unmittelbar nach dem Ort führt ein steiler Anstieg zur Ehrenberger Klause, einer zur Regulierung des Salzhandels erbauten Festung.
📍 Der Fernpass: Zu diesem atemberaubenden Aussichtspunkt gelangt man über eine unbefestigte Radroute oder mit einem Shuttle aus Biberwier.
📍 Imst: Zur Brunnenstadt Imst fährt man mit dem Rad am Innfluss entlang.
📍 Pontlatzer Brücke: Die “lange Brücke” nahe Prutz, ursprünglich von den Römern erbaut, war Schauplatz zahlreicher Schlachten des 18. und 19. Jahrhunderts.
📍 Altfinstermünz: Zwischen Pfunds und Martina in einer tiefen, schmalen Schlucht gab es eine Römerbrücke und später eine antike Grenzbefestigung. Brücke und Feste beherbergen heute ein Museum.
📍 Reschenpass/Passo di Resia: Der sanfte Radweg macht am Innfluss entlang einen kurzen Abstecher in die Ortschaft Martina in die Schweiz. Zurück in Österreich beginnt der Anstieg zum höchsten Punkt der Strecke: dem Reschenpass. Eine asphaltierte Straße mit vielen Kehren führt über Nauders zum Pass, der nicht nur die Grenze zwischen Österreich und Italien bildet, sondern zudem noch als Wasserscheide fungiert: Richtung Norden münden die Flüsse ab diesem Punkt in die Donau und das Schwarze Meer; gen Süden fließen sie zur Adria.
🇮🇹 Meine Highlights in Italien
📍 Reschensee/Lago di Resia: Dieser Stausee entstand 1950 durch die Zusammenlegung zweier kleiner natürlichen Seen. Die Besonderheit ist, dass er dadurch das Südtiroler Dorf Graun im Vinschgau/Curon Venosta flutete. Der herausragende Kirchturm zieht noch heute die Besucher magisch an.
📍 Glurns/Glorenza: Eine malerische Kleinstadt mittelalterlichen Säulengängen und befestigten Torhäusern an der Stadtmauer. Über eine Holzbrücke gelangt man über den Fluss Etsch/Adige.
📍 Naturns/Naturno: Nicht verpassen: Schloss Kastellbell/Castello di Castellbello und die Kirche Sankt Prokulus mit ihren antiken Fresken aus dem 7. und 8. Jahrhundert.
📍 Meran/Merano und Bozen/Bolzano: Zwei bezaubernde Städte mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Die Plätze und Terrassen eignen sich perfekt für eine Verschnaufpause mit Flair.
Die Dolomiten
In Bozen verließ ich die Via Claudia Augusta und ihre römischen Spuren. Ich fuhr Richtung Nordosten weiter, folgte den Flüssen Eisack/Isarco nach Brixen/Bressanone und dem Rienz/Rienza nach Toblach/Dobbiaco. Von hier aus führte der Dolomiten-Radweg/ Ciclovia delle Dolomiti eine alte aufgelassene Zugtrasse entlang bis Calalzo di Cadore. Weiter ging’s am Ufer des Fluss Piave über Farra d’Alpago bis Vittorio-Veneto. Wehmütig verabschiedete ich mich hier von den wunderschönen Bergen und stieg aufs Rad Richtung Triest, dem letzten Ziel meiner Reise. Aber das ist eine andere Geschichte..
🏔️ Highlights in den Dolomiten
Höhepunkt meiner Reise waren die vielen verschiedenen Radwege durch diese prachtvolle Berglandschaft.
📍 Das Eisacktal/Isarco Cycleway: Von Bozen/Bolzano nach Brixen/Bressanone, durch den malerischen Ort Chiesa.
📍 Der Pustertal/Pusterbike Radweg: Von Brixen/Bressanone nach Toblach/Dobbiaco. Der hübsche Ort Bruneck/Brunico entlang der Route ist einen Besuch wert.
📍 Wanderung bei Tre Cime di Lavaredo: Einen Tag lang ließ ich mein Fahrrad stehen und wanderte um die markanten Drei Zinnen. Mit dem Bus kommt man von Dobbiaco zur Auronzo Hütte und wieder zurück. Dort erkundete ich die Schutzbauten aus dem ersten Weltkrieg und konnte auch die Schönheit der Landschaft in vollen Zügen genießen.
📍 Dolomiten-Radweg/ Ciclovia delle Dolomiti: Von Toblach/Dobbiaco nach Cortina d’Ampezzo und Calalzo di Cadore führt diese alte Bahntrasse. Im ersten Weltkrieg erbaut und später als Radweg umgewidmet fährt man auf dieser Route bequem durch abgelegene Gegenden und kommt an aufgelassenen Stationen vorbei, die zum Charme der Strecke beitragen. Nur ein paar Kilometer vom Toblacher See besuchte ich einen Soldatenfriedhof.
📍Der Piave Radweg: Von Calalzo di Cadore nach Farra d’Alpago folgt diese Route einem Teil der München-Venedig Strecke sowie einem Abschnitt der Via Regia. Der Stausee Lago di Santa Croce in Farra d’Alpago bietet die beste Kulisse für eine ausgiebige Pause.
Die Eckdaten
Ausrüstung: Was hatte ich mit? Ein Tourenrad mit einer Lenkertasche und einer Gepäcktasche am Gepäckträger. Eine Außentasche darüber (für das Zelt und die Schlafmatte), alles wasserdicht. Kein Campingkocher oder Kochutensilien, nur ein Campingset mit Teller, Becher, Besteck, und einem Essensbehälter.
Nächtigungen: Ich schlief auf Campingplätzen, in Hostels und Hotels. Eine passende Unterkunft am Ende des Tages zu finden stellte auch ohne Reservierung kein Problem dar (vor allem als Einzelperson). Die vielen Möglichkeiten entlang der Route boten mir als Radreisende viel Flexibilität. War ich müde, blieb ich stehen. Wenn ich doch noch länger fahren wollte als geplant, konnte ich das ohne weiteres tun.
Verpflegung: Essen war laufend verfügbar. Supermärkte, Bäckereien oder Straßenmärkte sorgten dafür, dass ich immer gut versorgt war. Und bei Mahlzeiten in Restaurants verkostete ich die regionale Küche.
Kosten: Reiseausgaben sind sehr individuell; sie hängen doch stark von den persönlichen Prioritäten (und dem Reisebudget!) ab. Ich ging zwar nicht oft in Restaurants, dafür legte ich viel Wert auf die Privatsphäre eines Einzelzimmers samt eigenem Badezimmer, vor allem nach ein paar Nächten im Zelt. Unterkünfte waren meine größten Ausgaben: weil es regnete, nächtigte ich nicht so oft wie geplant auf Campingplätzen. Die Kosten für Hostels, Pensionen und Hotels reichten von €40 bis €70 fürs Einzelzimmer. Campingplatznächtigungen – für eine Person, ein Zelt, ein Fahrrad, ohne Strom – bewegten sich zwischen €11 und €20.
Schwierigkeit der Route: Obwohl die Route durch Europas Berglandschaft führt, würde ich sie nicht als besonders schwierig bezeichnen. Denn um der Via Claudia Augusta auf den Spuren der Römer zu folgen, fährt man an drei Flüssen, und ihren Tälern entlang: Lech, Inn, Etsch/Adige. Die zwei Bergpässe (Fernpass und Reschenpass) sind ein atemberaubendes Erlebnis und – besonders auf der Nord-Südstrecke – durchaus schaffbar. Für alle Fälle gibt es auch eine reguläre Busverbindung über die beiden Pässe, also ist diese Radreise auch bestens für Senioren oder Familien geeignet. Der Dolomiten-Radweg orientiert sich auch an Flüssen bzw. aufgelassenen Bahntrassen.
Navigation: Die Route ist großteils gut angeschrieben. Manchmal können die vielen kreuzenden Fahrradrouten und Abstecher entlang der Route für Verwirrung sorgen, aber im Zweifelsfall bringt dich die Bikemap app sicher zurück auf den richtigen Weg.
Reisen mit dem Rad
Es war nicht meine erste Radreise weit von zu Hause. Schon mehrmals hüllte mein Rad in Blisterfolie, brachte es am Flughafen zum Check-In, und hoffte auf das Beste. Diesmal suchte ich eine Alternative zum Fliegen: gerne wäre ich mit dem Zug gereist, doch leider erwies es sich als Ding der Unmöglichkeit, die Tickets für die Reise plus Radmitnahme durch verschiedene Länder und separate Bahnsysteme online verlässlich zu buchen. Also entschied ich mich für eine Busreise, da man z.B. mit Flixbus das Fahrrad für kleines Geld mitnehmen kann. Leider war es auch hier nicht einfach ein Ticket zu finden, da nicht jeder Bus die Fahrradmitnahme erlaubt. Und nicht mal dann konnte ich mich darauf verlassen, dass alles klappte: es gab kurzfristige Ausfälle wegen der Fahrradmitnahme, die Fahrer wussten teilweise nicht, ob das Fahrrad außen oder unterm Bus bei den Koffern gelagert werden sollte, und dann gab es noch Verspätungen… Ich fürchte, nächstes Mal fliege ich wieder.
Der weit schwierigste und frustrierendste Teil meiner gesamten Reise war es, mit dem Fahrrad im Bus bis nach Augsburg und von Triest wieder weg zu kommen. Doch das Radfahren gibt so viele Endorphine frei, dass ich allen Ärger vergaß, sobald ich wieder im Sattel saß.
Als alleinreisende Frau fühlte ich mich stets sicher und wohl auf meiner Reise. Jeder, den ich traf, war freundlich und hilfsbereit, besonders zwei deutsche Radfahrer, die mir in einem beschädigten Straßenabschnitt in Italien über den steinigen Weg halfen. Die Solidarität unter Reisenden ist wirklich einzigartig!
Warum ich eine Solo-Radreise empfehlen würde
Für mich liegt das wahre Glück darin, auf meinem Fahrrad durch die Natur zu fahren. Auf dieser Reise war der sich stets wandelnde Ausblick auf die Berge mein persönliches Highlight und liebster Begleiter. Das Fahrrad bietet die ideale Geschwindigkeit, um die spektakuläre Landschaft zu genießen.
Eine weitere Erkenntnis, die ich wohl mit allen Radreisenden teile, ist das unglaubliche Freiheitsgefühl, das durch das simple Reisen mit nur den wesentlichsten Dingen im Gepäck erreicht wird. Nichts sonst lässt mich so sehr im Moment leben und alle Eindrücke aufnehmen wie eine Solo-Radreise.