Meet the Rider: Vier Jahrzehnte auf dem Rad mit Jeff aus Seattle

Entdecke, wie Jeff aus Seattle seit über 40 Jahren die Welt mit dem Fahrrad erkundet und dabei Freiheit, Verbundenheit und Menschlichkeit auf zwei Rädern findet.


Für Jeff Kadet ist Radfahren kein Sport und kein Hobby, sondern eine Lebensart. Seit Anfang der 1980er Jahre erkunden Jeff und seine Frau die Welt, eine Tour nach der anderen. Mit vollbepackten Reiserädern fahren sie durch die Landschaften Europas, Asiens und Nordamerikas. Angefangen hat alles in Singapur, mit zwei einfachen Dreigangrädern und einer großen Portion Neugier. Daraus wurde im Laufe der Jahre eine gemeinsame Leidenschaft fürs Reisen, geprägt von Entdeckerfreude, Ausdauer und Zusammenhalt.

Heute, in ihren Siebzigern, verbringen die beiden immer noch mehrere Monate im Jahr auf dem Rad, meistens in Frankreich und den Nachbarregionen. Ihre Räder sind über dreißig Jahre alt, doch die Begeisterung ist ungebrochen. „Wir haben den Weg immer mehr genossen als das Ziel“, sagt Jeff. „Es ist einfach ein gutes Gefühl, sich nur mit eigener Kraft fortzubewegen.“

Vom 50-Dollar-Rad zum Leben auf Tour

Jeffs erste Begegnung mit dem Radfahren hatte er mit Ende 20 in New York City. Für fünfzig Dollar kaufte er sich ein gebrauchtes Fahrrad und begann, an Wochenenden durch Manhattan zu fahren. Eine seiner schönsten Erinnerungen stammt vom 4. Juli 1976, als er in die Innenstadt radelte, um die Parade der Großsegler auf dem Hudson River zum Bicentennial-Fest zu sehen.

Ein paar Jahre später zog er nach Singapur und lernte dort seine Frau kennen. Gemeinsam erkundeten sie die Insel auf zwei Dreigang-Raleigh-Rädern. „Wir waren nie besonders schnell, aber wir kamen immer an“, erinnert sich Jeff. Aus den gemütlichen Wochenendausflügen wurden längere Fahrten, und irgendwann war klar: Sie wollten weiter und länger unterwegs sein.

Als sie 1982 nach Houston zogen, legten sie sich Zehngangräder zu und fuhren regelmäßig lange Runden durch die texanische Landschaft. Manchmal gerieten sie in Sommergewittern in den Regen und machten Zwischenstopps bei Dairy Queen für einen Bananensplit. Ihre erste richtige Tour mit Gepäck machten sie 1983, von Houston nach Austin und zurück. „Bei der texanischen Hitze war das wohl nicht unsere klügste Idee“, schrieb Jeff später. Aber so begann für sie eine Leidenschaft, die bis heute anhält.

jeff und seine frau auf einer tour

Freiheit auf zwei Rädern

Von da an wurde das Radfahren zu ihrer bevorzugten Art zu reisen. Wo immer sie lebten, suchten sie Wege, neue Gegenden mit dem Rad zu entdecken. In Japan, wohin sie Ende der 1980er Jahre zogen, nahmen sie oft die Fähre aus Tokio und radelten eine oder zwei Wochen lang zurück. Später, während ihrer Zeit in Moskau, lagerten sie ihre Dawes-Reiseräder bei Freunden in Westeuropa und kamen jeden Sommer nach Frankreich, England, in die Schweiz, nach Deutschland oder Österreich.

Seit seinem Ruhestand hatten Jeff und seine Frau endlich Zeit, ihre Leidenschaft voll auszuleben. Fast jedes Jahr kehrten sie nach Europa zurück und verbrachten dort mehrere Monate auf dem Rad. Zwischen 2013 und 2016 lebten sie im französischen Baskenland, in der Nähe von St-Jean-Pied-de-Port. Von dort aus starteten sie unzählige Touren – mal kurze Ausflüge in die Umgebung, mal längere Reisen quer durchs Land. Eine dieser Touren führte sie nach Paris, um ihre Nichte in einem Kinderchor auftreten zu sehen. „Wir sind zwei Wochen lang nach Paris geradelt, nur um sie singen zu hören“, erzählt Jeff lachend. „Das war wahrscheinlich die längste Reise für die kürzeste Aufführung überhaupt, sie dauerte nicht einmal eine Stunde.“

Der Alltag mit dem Fahrrad

Zu Hause in Seattle leben Jeff und seine Frau ohne Auto. Für Einkäufe, Erledigungen und Besuche steigen sie einfach aufs Rad. Wenn das Wetter passt, fahren sie täglich 20 bis 30 Kilometer durch die Nachbarschaft und halten so den Schwung auch zwischen größeren Touren aufrecht.

Sie haben auch viele Reisen durch Nordamerika unternommen, darunter Touren von San Diego nach Tucson, von New York nach Chicago und von Seattle nach Vancouver und zurück über die North Cascades. Jeff liebt die Weite des amerikanischen Westens, findet aber, dass Radfahren in Europa deutlich angenehmer ist. In Frankreich, sagt er, gibt es unzählige gut ausgebaute Landstraßen mit wenig Verkehr, auf denen man praktisch überall hinkommt. In den USA dagegen bleibt oft nur die Hauptstraße, weil es weniger Nebenrouten gibt.

Für Jeff hat das historische Gründe. Der Westen der USA wurde erst nach der Erfindung des Autos besiedelt, weshalb Städte dort weiter auseinanderliegen. In Europa dagegen sind viele Orte über Jahrhunderte entlang alter Fuß- und Handelswege gewachsen, die viel näher beieinander liegen. Das macht Radfahren dort ganz natürlich.

Jeffs Frau radelt umgeben von grüner Landschaft

Immer wieder Frankreich

Von all den Ländern, die sie bereist haben, ist Frankreich Jeffs Lieblingsziel. „Die Landschaft ist einfach unglaublich vielfältig“, sagt er. „Es ist schwer, Lieblingsorte zu nennen.“ Trotzdem gibt es Regionen, zu denen sie immer wieder zurückkehren: das französische Baskenland, den Cantal und den Puy Mary, die Gorges du Tarn und Gorges de la Jonte, die Gegend um Annecy und Chambéry sowie die Provence und den Verdon.

Jede Region hat ihren eigenen Zauber, von den stillen Pässen des Zentralmassivs bis zu den tief eingeschnittenen Schluchten Südfrankreichs. Manche Orte haben sie fast zehnmal besucht, auf Routen, die sich inzwischen vertraut anfühlen wie alte Freunde. Zu Jeffs persönlichen Highlights zählen drei Rundtouren, die er anderen Radfahrern besonders empfiehlt:

  1. Der Rundweg durch die Gorges de la Jonte und die Gorges du Tarn, verbunden durch die D986
  2. Eine Fahrt auf beiden Seiten der Gorges du Verdon
  3. Eine Tour von Aurillac zum Puy Mary und zurück über Salers

Auch nach so vielen Jahren, sagt er, gibt es immer noch neue Straßen zu entdecken und neue Varianten vertrauter Wege zu genießen.

Das Entdecken von Bikemap

Jeff ist seit 2009 Bikemap-Premium-Nutzer und hat inzwischen über 800 Routen erstellt. In den Anfangsjahren zeichnete er jede Fahrt manuell auf der Bikemap-Website und lud später Fotos hoch. Als er lernte, Touren direkt mit dem Handy aufzuzeichnen, wurde das Teil seiner täglichen Routine unterwegs.

Nach jeder Fahrt speichert er die Route und fügt Fotos hinzu, sodass über die Jahre ein digitales Tagebuch seiner Reisen entstanden ist. Bikemap ist für ihn auch ein wichtiges Werkzeug bei der Planung geworden, um Tagesetappen festzulegen und kleinere Straßen zwischen Orten zu finden.

Die Bedeutung des Radfahrens

Was bedeutet Radfahren für ihn? Jeff sagt: „Es ist etwas, das meine Frau und ich einfach gerne zusammen machen. Es ging uns nie ums Ankommen, sondern um das Unterwegssein.“

Während er noch berufstätig war und oft bis zu 80 Stunden pro Woche arbeitete, war Radfahren für ihn ein Ausgleich, ein Weg, den Kopf freizubekommen. Heute ist es ein wichtiger Teil seines Lebens, um aktiv und mit der Welt verbunden zu bleiben. „Meine Frau redet gerne über Endorphine“, sagt er. „Für mich ist es einfach das gute Gefühl, sich aus eigener Kraft durch die Landschaft zu bewegen. Es fühlt sich einfach ehrlich und richtig an.“

jeff and his wife on a break in the mountains

Ein weiteres Geschenk des Radreisens, sagt Jeff, ist, was man dabei über Menschen lernt. „Wenn man durch verschiedene Länder fährt und unterwegs Leute trifft, erlebt man immer wieder, wie freundlich und hilfsbereit Menschen sein können“, erzählt er. „Das bestätigt uns immer wieder, dass Güte und Menschlichkeit überall existieren.“

Mit der Zeit haben Jeff und seine Frau gelernt, dass Freundlichkeit keine Grenzen kennt. „Egal in welchem Land“, sagt Jeff, „die meisten Menschen sind freundlich, offen und großzügig. Es tut einfach gut zu sehen, dass die Welt vielleicht doch nicht so verloren ist, wie es manchmal scheint. Das ist einer der schönsten Aspekte des Radreisens.“

Noch immer unterwegs

Nach über vierzig Jahren auf Tour genießen Jeff und seine Frau das langsame, selbstbestimmte Reisen immer noch genauso wie früher. Ihre Dawes-Reiseräder, inzwischen über drei Jahrzehnte alt, laufen weiterhin zuverlässig, auch wenn sie ihre Packtaschen nach dreißig Jahren schließlich ersetzt haben.

Für Jeff war Radfahren nie eine Frage von Geschwindigkeit oder Leistung. Es geht ihm ums Unterwegssein, ums gemeinsame Erleben mit seiner Frau und darum, die Welt im eigenen Tempo zu entdecken. Radfahren bedeutet für ihn Lebensfreude, Energie und Dankbarkeit für das, was ihn umgibt. Nicht die Distanz oder das Ziel zählt, sondern der Weg selbst.


Wir hoffen, Jeffs Geschichte inspiriert dich, deine nächste Tour zu planen oder vielleicht selbst eine längere Radreise zu wagen. 🚴‍♀️✨ Hast du auch eine Geschichte übers Radfahren, die du teilen möchtest? Wir würden uns freuen, von dir zu hören! Schreib uns und werde Teil der nächsten Ausgabe.

Bleib neugierig, bleib in Bewegung und wir sehen uns auf der Straße. 🌍

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You May Also Like

Von München zum Gardasee: Eine Alpenüberquerung in sechs Tagen

Drei Jahre nach meiner ersten Alpenüberquerung wagte ich mich erneut auf zwei Rädern in die Berge – diesmal von München zum Gardasee. Sechs Tage, zwei Pässe, 500 Kilometer und unzählige Eindrücke zwischen Eisnebel, Sonnenschein und Südtiroler Weinbergen. Mit minimaler Vorbereitung, einfachem Equipment und viel Motivation wurde die Tour zu einem unvergesslichen Abenteuer. Ein Erfahrungsbericht über Planung, Etappen, Herausforderungen und das unvergleichliche Gefühl, die Alpen aus eigener Kraft zu überqueren.
Read More